Hannes Birnbacher, Windhagen/Ww.

04.04.2002

Die Opel längst den Weg alles Irdischen gegangen und sowieso zu langweilig, der rote getarnte Polo mit dem Turbomotor in Köln-Brühl von einer durch Zahnschmerzspritzen beduselten Studentin abgeschossen (deren Mutter es nicht zu abgeschmackt fand, mir vor Zeugen vorsorglich ausrichten zu lassen, sie sei Richterin und ich solle meine Ansprüche als Unfallopfer gering halten), was sollte das neue Auto sein?

Suzuki-Jeep (37KB)
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Es sollte billig, neu, zünftig, hoch, offen sein, nicht so heroisch schwer und strikt eisern wie der seit 1949 unverändert gebaute Landcruiser, den ich früher fuhr, in die Landschaft passen, mir die Beweglichkeit im Westerwälder Winter sichern und ein dickes Fell suggerieren, somit den Ausstieg aus dem Zwang, der Schnellste zu sein oder sich in Luft aufzulösen, wenn eines der Nobelauto mit eingebauter Vorfahrt hinter einem fährt: die "Citroen-Ente" von heute. Kurzum, es kam nur einer der letzten Suzuki SJ413 "Samurai" Allrad in Frage (heute runder, niedriger, mit Airbag, langweiliger und 10 PS stärker unter dem Namen "Jimny" angeboten).

Trotz seines fernöstlichen Namens ist er in Spanien gebaut (böse Zungen könnten sagen, zusammengehauen, dazu steht weiter unten noch einiges) und als EG-Neuwagen ein Viertel billiger als der Listenpreis von Suzuki Deutschland gewesen.
Gekauft wurde er bei einem bundesweit inserierenden türkischen Importeur in Bergisch-Gladbach/Schildgen (gibts leider nicht mehr), von diesem ab Lager gegen bar ohne Wenn und Aber vor der Tür abgeliefert. Die Papiere erwiesen sich als in Ordnung, die umliegenden Vertragswerkstätten bestätigten auf vorherige Anfrage unisono, daß ihnen als Kundenfahrzeug auch ein solcher Importwagen lieb und wert sei, wenn nur Suzuki-Stempel und Unterschrift auf der Garantieurkunde (3 Jahre, 100.000km) echt seien. Sie waren echt, und die Werkstätten haben Garantieinspektionen und -Fehlerbehebungen, s.u., auch anstandslos gemacht, wobei die drei Jahre Garantie ab Importdatum zählen - gegenüber dem Kaufdatum verlor ich einige Monate.

Für längere Reisen liegen inzwischen hervorragende Gehörschutzprodukte aus dem Bereich des Arbeitsschutzes, sowohl im-Ohr, als auch ums-Ohr-Modelle, im Handschuhfach. Auch Individualität gegenüber allen anderen Fahrzeugen gleicher Konstruktion erwirbt sich das Gefährt unterwegs ganz von selber, verlor der Stolz spanischer Fahrzeugproduktion doch in den ersten Monaten u.a. die Seitenleiste vor der Fahrertür, die Schrauben vom Überrollbügel über den Vordersitzen, diejenigen des Türrahmens rechts, den Gummi vom Bremspedal, das Motorhaubenschloß, die Batterie(-halterung) und einiges mehr. Naja, ein Fahrzeug für mechanisch begabte Besitzer eben. Das kannte ich aber auch von meinem ebenfalls spanischen Kadett, in dem ich zum Schluß eine Plastiktüte nur für die Teile, die innen abfielen wie Verkleidungen, Schrauben, Steckdübel usw. mit mir führte, damit sie nicht unter die Bremse rollen und diese blockieren könnten. Derlei Unnützes ist natürlich in dem Allradfahrzeug gar nicht erst enthalten und kann somit auch nicht abfallen (wer würde z.B. ein Autoradio in einem Wagen haben wollen, der sich nur durch Zuziehen zweier Reissverschlüsse gegen Eindringlinge sichern lässt). Die manuellen Fertigkeiten werden bei diesem Auto zu neuen Höhen trainiert, so steht mein Rekord für den Abbau des Verdecks auf 175 Sekunden, für dessen Aufziehen z.B. bei einem Regenschauer bei 660. Die Notwendigkeit ergibt sich natürlich unterwegs sowieso nie, weil das Verdeck wohl kaum in den winzigen Gepäckraum hinten, den im Auslieferungszustand auch noch zwei Puppensitze für den 3. und 4. Passagier vollständig einnehmen, hineinpassen würde. Dafür gibt's wohlfeil ein sogenanntes Sonnensegel, das über die Vordersitze passt.
Fahrtechnisch ist der Suzuki bei einer zumutbaren Reisegeschwindigkeit von ca. 110 km/h nicht gerade das geborene Langstreckenfahrzeug, kommt dafür aber wegen seiner winzigen Abmessungen (3.47 mtr. lang, 1.53 mtr. breit) überall durch und ist für zwei Personen wegen der aufrechten Sitzhaltung trotzdem nicht so unbequem wie manche größere Kompaktwagen.

Brauchte mein Toyota Landcruiser, für Eingeweihte:Type BJ40 (Bild: 1983 im Schwarzwald zwischen Simonswalde und St. Märgen) bei böigem Seitenwind noch eine dreispurige Autobahn vom Mittelstreifen bis zur Leitplanke für sich alleine, begnügt sich der "Samurai" mit der normalen Fahr- und der halben Überholspur, was er trotz gleicher Bauart (Blattfedern und Starrachse vorne und hinten) seinem überdimensionalem Stabilisator verdankt. Mit dem Pkw-ähnlichen Lenkrad lässt sich ein recht guter Einfluss auf die gewünschte Fahrtrichtung ausüben, obwohl das stark untersteuernde Fahrwerk einen ebenso beherzten wie dosierten Tritt auf's Gaspedal vorzieht, wenn z.B. in den Spitzkehren Westerwälder Verbindungsstraßen erst einmal der Entschluß zu einer Richtungsänderung getroffen ist.

Landcruiser im Schwarzwald
Dieses Verfahren lernt man besonders zu schätzen, sobald sich je nach Straßenbelag das Lenkrad spielend leicht drehen lässt und anzeigt, dass die Bodenhaftung (und Bremswirkung...) nicht mehr der Rede wert ist. An der Servolenkung kann's nämlich nicht liegen, weil's keine gibt. Dafür sind die Reifen für eine Haltbarkeit von mindestens 50.000 Kilometer bekannt.

Fazit: meinen Samurai würde ich nicht mehr hergeben. Obwohl es zu jeder Zeit eine Menge dafür gibt, denn der Suzuki-Jeep ist u.a. wegen seiner technisch bedingten Langlebigkeit das werthaltigste Gebrauchsfahrzeug, das in Deutschland an Privatleute verkauft wird, mit einem Gebrauchtpreis von mehr als 50 Prozent des Neupreises noch nach zehn Jahren.

Noch ein Fazit: ich habe meinen Samurai auch nicht hergegeben, er ist mittlerweile (2010) 12 Jahre alt. Die Batterie musste ich dieses Frühjahr ersetzen. Ernstzunehmende Korrosion gibt es nicht, die Felgen sind ein bisschen rostig. Das Verdeck ist noch intakt und flexibel, nur einige Druckknöpfe musste ich mal ersetzen (gibt's teuer im Fachversand oder billig in der Sonderangebotskiste vom Baumarkt).

Neuestes: 2011 habe ich dann die Reifen bei einem km-Stand von ca. 70.000 ersetzen lassen. Ihr Profil hätte wohl gerade noch einmal für den TÜV gereicht, aber die Dunlop waren schon beim Neuwagen als "Holzreifen" verschrien, was die Haftfähigkeit betrifft. Mit den als Nächstes gewählten Vredestein Quadrac 3 kommt der Wagen jedenfalls wieder freudig ohne Powerslide durch einen Kreisverkehr.

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