Der Durchbruch: virtuelle Maschinen
Vorbemerkung:
Virtuelle Maschinen gibt es für zahlreiche Betriebssysteme auf dem PC,
sie sind sogar eine ausgezeichnete Chance, die etwas selteneren mal
auszuprobieren. Meine Erfahrungen sind jedoch mit Linux als Hostsystem
und MS-Windows als Gastsystem gemacht. Daher beschränken sich die
nachstehenden Ausführungen auf diese beiden.
Begriffe:
Virtualisierungslösungen bestehen aus einem Programm, das einen ganzen
Computer simuliert, und einer großen Datei (samt zugehörigen
Konfigurationsdateien), die diesem Programm vorspiegelt,
sie sei eine Festplatte mit einem Betriebssystem drauf. Das Programm
könnte z.B. unter Linux installiert sein, damit der Besitzer von Zeit
zu Zeit MS-Windows aufrufen kann, ohne Linux beenden zu müssen. In
diesem Fall nennt man Windows das Gastsystem und Linux das Host-System
(Host=Gastgeber engl.).
Umgekehrt könnte ein Windows-Besitzer auch einmal Linux ausprobieren
wollen. Dann besorgt er sich eines der Virtualisierungsprogramme für
Windows und installiert ein Linux darin. Jetzt ist Windows der Host und
Linux der Gast.
Die totale Unabhängigkeit
Computerbesitzer haben schon immer den Wunsch gehabt, wahlweise das
eine oder das andere Betriebssystem benutzen zu können.
Damit die Windows-gewohnte Öffentlichkeit sich überhaupt bereitfand,
Linux auszuprobieren, kam dieses schon sehr früh mit Multi-Boot
Systemen, mit denen man nach dem Einschalten des Computers entscheiden
konnte, welches System man booten wollte: Linux oder Windows. Doch beim
Wechsel z.B. von einem Windowsprogramm zu einem Linuxprogramm ist es
für Power-User keine Lösung, zuerst alles herunterfahren zu müssen, um
sein Programm dann unter dem jeweils anderen System hochzufahren.
Beispielsweise gibt es für mich nichts Sichereres als Linux, um in's
Internet zu gehen, sind doch die meisten Viren für Windowsprogramme
geschrieben und können Linux nichts anhaben. Darüberhinaus ist die in
meinen Augen beste Lösung, um Websites gezielt hochzuladen, sitecopy,
ein Linux-Programm; dieses bildet sozusagen das Rückgrat meiner
Organisation, während die HTML-Editoren, Grafikprogramme usw. schon mal
wechseln. HTML-Editoren, um ganze Websites zu erstellen,
haben unter Linux jedoch auch noch heute ihre Grenzen. Für wirklich
große Internetauftritte haben sich die Windows-Programme Adobe GoLive
oder
Dreamweaver allgemein durchgesetzt. Sollte man nun unter Linux eine
Website mit sitecopy hochladen und mit Konqueror überprüfen, um dann
Windows neu zu booten, um dann die Seite mit Dreamweaver noch einmal
zu überarbeiten, und dieses zeitraubende Spiel so oft wiederholen, bis
alles perfekt ist?
Eine erste Lösung, über die Grenzen des Betriebssystems hinauszugehen,
boten
Emulationen.
Für Linux gibt es seit 1992
Dosemu,
ein Programm, das zusammen mit einem der alten MS-Dos-Programme
aufgerufen wird und diesem mehr oder weniger perfekt den Ablauf unter
Linux erlaubt. Dies wird durch genaue Kenntnis der Abläufe in jenen
alten DOS-Programmen ermöglicht. Ich selber habe seit den 80er Jahren
eine DOS-Software in Betrieb, PCO von Brown Bag Software, die man heute
als Mindmapper bezeichnen würde. Es gibt bis dato nichts
Vergleichbares, und ihre Tastenkombinationen kenne ich auswendig. Sie
läuft perfekt unter Linux-Dosemu.
Als nächstes machten sich die Linux-Programmierer daran,
Windows-Programme unter Linux laufen zu lassen. Nach dem Beispiel von
Sun-WABI (1992) begann man in 1993, für Windows-Programme unter Linux
all die
Funktionen bereitzustellen, die sie unter Microsoft Windows zum Laufen
aufriefen. Das Programm heisst
Wine.
Kleine Windows-Anwendungen kann man damit mehr oder weniger gut
benutzen. Je größer und komplizierter sie werden, desto mehr
Anpassungen und Besonderheiten benötigen sie. Eine Firma namens
Codeweaver
hat sich auf kommerzieller Basis der Probleme angenommen und
passt Wine unter dem Namen
Crossover
an die bekanntesten Windows-Anwendungsprogramme wie MS-Word oder
Internet Explorer an, und lässt umgekehrt auch ihre Entwicklungen in
das Wine-Projekt zurückfließen.
Mit Crossover/Wine konnte ich unter Linux
das vorerwähnte Dreamweaver betreiben, aber nur bis zur 2002er
Version MX. Neuere können wegen der danach eingeführten
Produktaktivierung,
die sich im (nicht vorhandenen) Windows-System verewigen will, nicht
ohne illegalen Hack installiert werden. Ebenso wichtig war mir
Coreldraw. Dies ist ganz gut lauffähig
unter Crossover, aber (bei mir) nur in der Uralt-Version 7 - keine
ältere und
keine modernere.
Alle diese Lösungen ermöglichen zwar gelegentlich und unter günstigen
Umständen, einen kleinen Ausschnitt der Softwarewelt von Windows auch
unter Linux laufen zu lassen, aber man konnte keineswegs davon
ausgehen, auf ein und demselben PC sowohl Linux- als auch
Windowsprogramme gleichzeitig laufen zu lassen, von riesengroßen
Buchhaltungs-, Börsen- oder Unternehmensverwaltungsprogrammen ganz
abgesehen.
Das ist nun mit
Virtualisierungsprogrammen
möglich. 1999 kam
VMWare
für Linux in der Version 1 heraus (aktuelle Version: VMWare Player
6.5). Der Unterschied zu den vorgenannten Emulationen ist, daß
Virtualisierungssoftware einen eigenständigen PC vorspiegelt, in dem
das Gastsystem installiert wird. Richtig gehört: man muß, um z.B. als
Linux-Betreiber Windows-Programme laufen zu lassen, das
Gast-Betriebssystem kaufen und in einer
Virtuellen Maschine
installieren. Für mein Windows habe ich also schön die Installations-CD
eingelegt, den Autostart abgewartet, nach etlichen Minuten und
Mausklicks die Serien-Nummer eingegeben und, im Falle Windows XP, die
Aktivierung ablaufen lassen.
Es gibt noch einige andere Virtualisierungsprogramme. Virtual PC von
Connectix wurde 2003 von Microsoft selber aufgekauft und kann seit 2004
kostenlos heruntergeladen werden - ist aber logischerweise nur für
MS-Windows als Hostsystem erhältlich. VirtualBox (aktuelle Version: 2)
von Innotek wurde von der Firma Sun übernommen. Es gibt noch weitere
Virtualisierungssoftware wie Qemu, Bochs und Xen.
Virtualbox:
Virtualbox
habe ich seit der Version 1.4 genutzt. Es zeichnet sich
durch relativ einfache Installation unter Linux aus. Dennoch zeigt sich
eine gewisse Unausgereiftheit. Der Benutzer muß wissen, daß es zwei
Versionen gibt, die freie und die (ebenfalls kostenlose) proprietäre.
Nur die letztere kann auf die Dateien auf dem gleichen Computer
zugreifen und findet auch die USB-Geräte. Den Linux-Distributionen
liegt aber die freie Version bei und der Benutzer muß auch bei der
"richtigen" Version noch einige manuelle Anpassungen in der
Benutzer- und Rechteverwaltung seines Linux vornehmen, um seine Daten
und USB-Geräte wirklich auch unter seinem Windows nutzen zu können.
Die aktuelle Version ist 2. Über diese kann ich nichts sagen. Nachdem
sich bei meinem Host-System, Suse 10.3, durch eine Installation die
Verwaltung der Geräte geändert hatte, konnte ich mit Virtualbox nicht
mehr als normaler User auf meine USB-Geräte zugreifen.
VMWare:
2008 stieg ich auf
VMWare um. Dieses hatte ich gegen
2001 schon einmal
ausprobiert, aber dann festgestellt, was nirgends nachzulesen war: die
Arbeitsgeschwindigkeit und der Speicher waren sozusagen hälftig
zwischen Host- und Gastsystem aufgeteilt, auf einem PC mit 233MHz und
256 MB RAM keine praktikable Lösung. Inzwischen ist die Technik weit
fortgeschritten. Virtuelle Maschinen nehmen die Rechenleistung des
Host-Systems ziemlich weitgehend wahr und RAM ist billig geworden (man
sollte aber nicht unter 1.5 GB RAM anfangen, 1 GB für Linux als Host
und ein halbes GB für Windows).
VMWare gibt es für den Privatnutzer in drei Versionen.
Ideal ist
VMWare
Workstation. Mit ihm kann man Virtuelle Maschinen
einrichten (sprich, Windows unter Linux installieren und verwalten) und
betreiben. Es kostet laut Hersteller-Website zur Zeit 183,01 Euro.
Kostenlos herunterzuladen ist
VMWare-Server.
Gedacht ist diese Version für einen zentralen Server. Nichts spricht
dagegen, ihn auf ein und demselben Computer zu installieren, auf dem
die Virtuelle Maschine dann genutzt wird. Die Verwaltung erfolgt dann
nicht durch Aufruf des Programmes, sondern über einen Browser wie
Firefox oder Konqueror. VMWare-Server ist allerdings auch schwieriger
zu installieren, da die Installationsroutine nicht alle Besonderheiten
des Host-Systems beachten kann.
Einfacher zu installieren und ebenfalls kostenlos ist
VMWare
Player. Die aktuelle Version ist weit fortgeschritten und kann nun auch
neue Virtelle Maschinen erstellen. Ich benutze ihn zum Beispiel, um mal eben
auszuprobieren, ob eine Installations-CD noch problemlos funktioniert.
Anwendungsmöglichkeiten
für Virtuelle Maschinen:
Neben dem Parallelbetrieb zweier unterschiedlicher Betriebssysteme gibt
es noch weitere Einsatzzwecke.
- Herunterladen fertiger virtueller Maschinen
Beispielsweise für VMWare gibt's auf http://vmware.com/appliances
reichlich Anwendungen und ganze Betriebssysteme herunterzuladen. Möchte
jemand als Windows-User mal in Knoppix hereinriechen? Wie wär's mit
einem CentOS 5.2 Server? PC-BSD 7.0 Beta 1? Windows
2008
Enterprise Server (60 Day Evaluation)? OpenSolaris 2008.05?
Die Macher der pHp- Bildergalerie Gallery Version 2 bieten eine virtuelle Maschine
mit einem kompletten Server (LAMP-Umgebung) mitsamt den installierten Gallery-Programmdateien
an,
auf
der
man
sich
auch als
User
eines
Windows-Desktopcomputers eine Probeversion einrichten kann. Schnell
heruntergeladen,
gefahrlos
in
VMWare
Player
eingebunden,
schnell gelöscht, wenn man seine Neugierde befriedigt hat.
Will jemand gucken, wie weit der Windows-Clone ReactOS schon
funktioniert? Hier gibt's u.a. eine fertige virtuelle Maschine für Qemu
oder VMWare dafür herunterzuladen: http://www.reactos.org/de/download.html.
- Virtuelle
Maschinen sind von der Hardware unabhängig. Sie spiegeln dem darin
installierten Betriebssystem immer denselben Computer vor. Hat jemand
als experimentierfreudiger Computerbastler keine Lust, dauernd sein
Windows neu zu aktivieren? In einer virtuellen Maschine kriegt es nicht
mit, daß sich etwas geändert hat.
- Damit ist auch gleich gesagt,
daß virtuelle Maschinen transportabel sind. Es ist fast hoffnungslos,
eine Partition mit Windows einfach als Image auf einen neuen PC
einzuspielen. Eine virtuelle Maschine kann man einfach kopieren und
wieder einspielen, die ideale Lösung für Verteilung und
Datensicherung.
- Die virtuelle CD oder DVD: Wer sich
einmal - das ist legal und von Microsoft vorgesehen - eine angepasste
Windows-Installations-CD angefertigt hat, z.B. um das aktuelle
Servicepack in seine Originalversion zu integrieren und weitere
Programme wie das .net Framework mit auf die CD zu bringen, hat
vielleicht etliche CD-Rohlinge verbraucht, bis er den Bogen raus hatte
und mit der geschaffenen Version zufrieden war. Technisch wird beim
Brennen einer bootfähigen Installations-CD eine Datei geschaffen, ein
sogenanntes Iso-Image. Bei VMWare oder auch Virtualbox braucht man
dieses Image nicht auf
eine CD zu brennen - man gibt einfach den Pfad zu dem Iso-Image
an und es bootet das Installationspaket von diesem, als sei es ein CD-
bzw. DVD-Laufwerk. Das
gilt natürlich auch für heruntergeladene Images aller Art, z.B. der
neuesten Ubuntu-Version o.ä.
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Stand: 8.12.2008